Der Koffer



Wenn schon denn schon, der lädierte Koffer soll auch wieder wie Neu aussehen. Das fehlende linke Kofferschloss gab es bei einem großen Internetauktionshaus. Alles weitere dreht sich dann um die Frage wie Original kann der Koffer denn wiederhergestellt werden, wenn es genau die Bezugsmaterialien von damals eben nicht mehr gibt, andererseits das Teil aber nicht mehr zu retten ist.


Der Aufbau des Koffers



Der Koffer besteht aus drei Teilen: Einer Schale oben (Deckel), einer Schale unten (fast baugleich) und dem grüne bezogenem Hauptteil.

Die Schalen sind aus einer Art Spanplattenmaterial gepreßt worden. Das Bezugsmaterial ist eine Art rein cremefarbenes hochelastisches Schlangenlederimitat, welches (vermutlich unter Druck und Hitze) aufgeklebt wurde. Die Kanten sind von einem dunkelgrünen Keder (Kederband, Kantenschutzprofil) umgeben.

Die obere Schale enthält vorne und hinten Bohrungen für die Kofferschlösser, welche mit kleinen Metallteilen stabilisiert sind. Die untere Schalte enthält sechs locker sitzende Lüftungslöcher aus Messing, Vier große Messingnieten welche die Füße des Gerätes im Betrieb bilden und vier Löcher für Schrauben, mit denen die untere Schale an dem Koffer festgeschraubt ist. Diese Schrauben werden durch je einen kleinen Gummipuffer in die Profile des Koffers geschraubt. Auch wenn sie blank sind handelt es sich um leicht abbrechende Messingschrauben. Ein Gewinde mußte bei mir daher auf M5 vergrößert werden, so das eine Schraube jetzt größer ist als der Rest. Die kleinen Ringe, mit denen diese Senkkopfschrauben auf das Leder geschraubt werden heißen Rosetten. Dann enthält die untere Schalte auch noch eine Abschirmung welche mit dem Metall eines Seitenteils leitfähig verbunden ist.

Der Hauptteil des Koffers ist mit einer Art grünem Geflechtgewebe bezogen und besteht aus gebogenem Sperrholz. Auf einer Seite gibt es einen Griff, auf der anderen wiederum vier große Messingnieten auf welchen er stehen kann wenn er auf der Seite steht. In diesem Kofferhauptteil sind seitlich metallerne Gußprofile eingeschraubt welche die eigentliche Maschine tragen. Sie enthalten auch eine Art seitlichen Berührungsschutz für die Maschine, in meinem Fall durch eingenietetes Pertinax.

Grundsätzlich ist die Alternative zum Restaurieren des Koffers das gründliche Reinigen des Koffers. Sämtliche Abbildungen des Original-Koffers hier zeigen ihn bereits gereinigt.


Was nehmen?



Dann mal los, mal eben passendes Kunstleder kaufen... dachte ich... im Netz wird sich ja alles finden..... Pustekuchen! Weißes Kunstleder ist kein Problem, nur ungebrochenes Weiß würde aus der Revox eher ein Medizinprodukt machen als eine Tonbandmaschine. Edelschlangenlederimitat auch kein Problem, nur ist der Deckel eben auch keine Handtasche.

Und dann hat der Deckel ja auch noch diese hervorstehenden Kanten. Kann man da Leder so einfach drüber wegziehen? Und so ein grünes Gewebe wie im. Original gibt es... in Schwarz bzw. Anthrazit, das Ergäbe den Look eines modernen Küchengerätes oder wahlweise das Modell eines Mehrfamilienhaus-Neubaus.

Ich fahre zu Leder Shoenmaker in Oldenburg. Ich zeige Bilder von der Maschine und klage mein Leid. Ja, evtl. muß man am Deckel eine Naht machen. Das bielastische Leder gibt es aber auch in einem leicht gebrochenen Weiß. Das nehme ich mal mit.

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Die Qual der Wahl

Und das grüne? Ich hab mir alles durchgeschaut und bin bei einem türkisen Straußenlederimitat hängen geblieben. Das gibt des Maschine etwas Edles, hoffentlich beißt es sich nicht mit dem Grün der Kunststoffteile. Türkis ist ja so die Mitte zwischen Grün und Blau



Der Profi am Werk



Ich danke Herrn E. de Groot für das Neubeziehen des Koffers und die Erlaubnis, folgende Bilder zu veröffentlichen

Was Leder beziehen angeht, war ich bis heute absoluter Laie. Allerdings erscheint mir die Abfolge der notwendigen Arbeitsschritte logisch und folgerichtig. Am Anfang wird alles abgeschraubt und das alte Leder abgemacht. Das alte Kederband konnte vollständig heile entfernt werden.

Dann wird geschliffen. Dann gespachtelt. Der Spachtel ist notwendig damit sich aus Sicht des neuen Leders keine Dellen bilden. Anschliessend nochmal schleifen.

F36_8_Schleifen
Schleifen

F36_8_Spachteln
Spachteln

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Grundieren

Dann grundieren, damit der Lederkleber nicht vom Holz aufgesogen wird und zum aufquellen des Materials führt. Dann wieder schleifen.

Dann wird das Leder mit ausreichend Zugabe zugeschnitten, die Bereiche welche später angefasst werden sollen werden mit Klebeband abgedeckt. Dann werden die Klebeflächen des Deckels und des Leders mit Klebstoff eingesprüht.

F36_8_SpruehkleberSpruehen
Mit Sprühkleber einsprühen

Anschliessend kommt das eigentliche Beziehen. Dafür nehmen zwei Personen mit je ein Ende des Leders unter Zug und platzieren es auf dem Deckel, der angedrückt wird, dann haftet, so das man die ganze Sache Umdrehen kann. Der Deckel liegt dann auf dem Leder.

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Auf neuem Leder festgeklebter Deckel


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Fixierung

Nun wird das Leder an den Deckel angeformt. Ohne Schnitt oder Naht passt ein neues Leder nicht auf den Deckel, welcher im Original vermutlich unter Druck maschinell hergestellt wurde. An den Ecken darf sich auch kein zu breiter Wulst bilden, den es muß auch alles wieder in das Kederband passen. Daher wird an den Ecken überschüssiges Material entfernt. Der sichtbare Schnitt wurde dann durch kleine ründliche Lederteile überklebt.

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Meanwhile in my bathroom: In der Wanne weicht das originale Kederband des Koffers in Spüli-Wasser. Nach drei Tagen gehen die alten Materialreste gut ab. Das Kederband reagiert positiv auf ein Gummipflegemittel aus dem KFZ Bereich, aus näherer Nähe erzählt es dennoch von einer lebhaften Vergangenheit.


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Fertig

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Von hinten jetzt auch schöner

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Magic-Eye Detail

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Nach der Restauration ist unheimlich schnell bereits wieder neuer Staub da….

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Logo Detail

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Das am schwierigsten zu bekommene Teil war übrigens die 25cm Leerspule links….

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Die Rolle BASF LPR25 (1000m auf 25cm) mit der gelben Rückseitenmattierung ist aber auch selten


Mein Persönliches Fazit




Ich schreibe hier ein paar einzelne, nicht verbundene Punkte auf, welche ich wichtig finde:

- Die Effekte einer Restauration sind Mess- und Hörbar.
- Geräte deren Motoren mehr Lärm machen als ein diskretes Surren, auch beim schnellen Vor- und Rücklauf, bedürfen der Wartung der Motoren
- Geräte die einen auffälligen Geruch haben bedürfen der Reinigung und dann würde ich auch nachsehen, ob das Öl noch in den Motoren ist
- Die Motoren geben mehr Wärme ab als die Röhren
- Die Laufwerkstasten sind reparierbar, wenn es dort zu Problemen kommt
- Auch ein Laie kann mit einem Referenzband die Köpfe justieren und das ist ähnlich schwer, wie das erste Mal einen Plattenspieler aus Abnehmer, Arm und Laufwerk zusammenzubauen und zu justieren
- Eine 36er Revox niemals stehend betreiben wie eine A77, der Gleichlauf ist stehend deutlich schlechter (bei mir ca. 0,4% statt unter 0,1% bei 19,05cm/s)
- Nicht an neuer Andruckrolle sparen
- Sich genau anschauen wer in der Vergangenheit bereits was an einer Maschine vielleicht verbastelt hat, im Zweifel auf den Original-Zustand zurückbauen. Das gilt für Mechanik und Elektrik
- Elkos sind eher defekt als Röhren und sollten erneuert werden
- keine Angst vor der freiverdrahteten Verstärkerschaltung
- Der Löschoszillator ist der neuralgische Punkt der Aufnahmefunktion, er sollte überprüft werden
- Es ist sehr gut, das es mittlerweile kaum noch Messingschrauben gibt

F36_8_Sideview

- Anerkennen das eine 36er Revox eine herausragende Ingenieurleistung ist, ich habe unendlich viel gelernt, z.B. über Masse- und Signalführung
- Anerkennen das in dem Gerät fast ausschliesslich sehr gute Bauteile verbaut wurden
- Sich erinnern, das es mal so teuer wie ein Auto war

F36_8_Detail



Teil 1 : Einleitung
Teil 2 : Das Netzteil
Teil 3 : Magnete und Tastenblock
Teil 4 : Die Motoren
Teil 5 : Die Audioverstärker
Teil 6 : Umbau auf NAB
Teil 7 : Justieren und Messungen
Teil 8 : Der Koffer und Fazit
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