Ein Treiberverstärker für Kopfhörer von Stax



Aufbau komplett in Röhrentechnik mit 6SN7GTB und Gegentakanodendrosseln als Arbeitswiderstand. Symmetrische und/oder unsymmetrische Ansteuerung möglich. Passt beinahe auf ein DIN A4 Blatt.

Die hier beschriebene Schaltung arbeitet mit Hochspannung und ist somit potentiell lebensgefährlich. Für gesundheitliche, technische oder ideelle Schäden die aus dem Nachbau entstehen lehne ich jede Haftung ab, jeder Nachbau geschieht auf eigene Verantwortung. Ebenfalls übernehme ich keine Gewährleistung für die ordnungsgemäße Funktion der Schaltung. Diese Seite richtet sich an Audioamateure, den kommerziellen Nachbau dieser Schaltung (oder Teile daraus) gestatte ich nicht.

Nein, ich selber besitze keinen Stax Kopfhörer. Im engsten Familienumfeld gibt es den aber seit mehr als 25 Jahren. Damals war der große Stax Röhrenverstärker wie auch heute ein kaum finanzierbarer Traum. Als ich dann mit den Röhren begann wurde natürlich auch über den Stax gesprochen und ich habe immer mal wieder das Netz nach Schaltplänen u.s.w. abgegrast.

Oberseite

Den Rest hat der Lauf der Zeit beigesteuert: Der Original Stax Treiberverstärker bekam Probleme mit dem Lautstärkeregler und wohl auch allgemein mit dem Alter, bei gleichzeitig steigendem Vertrauen in meine Fähigkeit, so ein Teil in Röhrentechnik herzustellen. Dazu kamen dann die aus einem alten Vorverstärker ausgebaute Netztafo und Drossel, welche durch ihr Vorhandensein den Aufwand reduzierten.

Sollgröße war nicht viel mehr als ein Blatt DIN A4 Papier, Anspruch war HiFi, nicht Ultra-Fi, nicht alles was man irgendwie klanglich herausholen könnte. Da für eine Anlage mit halbleiterbestückten Geräten vorgesehen durfte er durchaus auch etwas intensivere Klangfarben beisteuern. Für mich war klar, das ich nicht mehr als 4 Röhren für das Audioteil verbaue, plus Gleichrichter. Das Ganze sollte verglichen mit meinen anderen Projekten klein und einfach werden. Daher auch der einfache offene Aufbau auf eine Aluplatte. Einziger Luxus: Keramische Lötleisten.

Anfangs hatte ich Datenblättern der ECL82 Spannungsangaben von über 500 Volt für den Pentodenteil gesehen. Zusammen mit einer Gleichrichterröhre EZ81 hatte sich ein Quartett ECL82 in meinem Kopf zu einem Treiberverstärker geformt. Rechtzeitig vor der praktischen Umsetzung sah ich auch Datenblätter mit nur 270 Volt Spannungsangabe - für die (vermutlich) gleiche russische Version der Röhre. Nach meiner Frage im Forum von jogis-roehrenbude.de war klar: ECL82 birgt unklare Risiken, besser die Finger davon lassen, zumindest oberhalb von 270 Volt.

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Stax selbst nimmt traditionell ein Derivat der Doppeltriode 6SN7 mit Novalfassung (6CG7). Von der 6SN7 gibt es auch Versionen, welche mehr Ruhestrom und höhere Anodenspannungen vertragen können. Die 6SN7GTB von Tung Sol ist ein Reissue einer solchen Röhre. Die Oktalfassung ist für mich mechanisch unproblematicher als die kleine Novalfassung. Als passende Treiberröhre bietet sich die Doppeltriode 6SL7 an, als Gleichrichter ist eine 6X5 mehr als ausreichend. Somit ist es ein „Oktalverstärker“ geworden.


Wie wird ein Kopfhörer von STAX betrieben?



Die eigentliche Membrane wird beim Elektrostaten konventioneller Bauart nicht mit dem Musiksignal beschickt. Stattdessen erhält sie eine Vorspannung, beim PRO-BIAS der neueren Modelle sind das je nach Quelle um 560 Volt. Für diese Spannung gibt es ein eigenes Netzteil. Mit knapp 5 Megaohm Innenwiderstand ist die Spannung an dessen Ausgang nicht sinnvoll messbar. Die Ladung breitet sich auch nur langsam auf der Membrane aus. Sie wird nach dem Ausschalten nicht durch Widerstände entladen damit die Membrane bei der nächsten Benutzung rasch wieder optimal geladen ist.

Diese Membrane schwingt zwischen zwei Gittern, und diese Gitter erhalten das Audiosignal im Gegentakt mit bis zu 60dB vorausgehender Spannungsverstärkung. Gleichspannungsseitig liegen sie auf Masse. Diese Masse ist bei den moderneren Designs eine „virtuelle“ Masse und entsteht dort durch die Reihenschaltung zweier Netzteile, deren Mitte als Masse definiert wird. Bei den älteren Designs und auch hier wird der Ausgang mittels Folienkondensatoren ausgekoppelt.

Der Kopfhörer selbst hat um 120pF Kapazität und eine Impedanz von ca. 120k bei 10kHz (geringe Abweichungen je nach Modell). Die Anforderungen an die Stromlieferfähigkeit des Treiberverstärkers sind also moderat. Vorraussetzung für ein gutes Ergebnis ist ein potentiell großer Aussteuerungsbereich, der auch bei kleinen Pegeln Verzerrungsarmut verspricht. Nachteil: Den gibt es vor allem bei größeren Endpentoden (z.B. EL34 oder 6L6, 807), welche für mein Empfinden zu groß sind für solch ein Projekt.

Es gibt einige kommerzielle Treiberverstärker, auch von Drittherstellern, und DIY-Projekte, welche wie bei Lautsprecherverstärkern auch verschiedenen Ideen folgen. Dabei muss es dann z.B. eine bestimmte Röhre sein, für andere soll alles gleichspannungsgekoppelt sein und natürlich hat auch jemand einen „Single-ended Triodenverstärker“ mit Ausgangsübertrager zur Erzeugung des Gegentaktsignals gebaut.

Probe
Passt alles? Platznehmen auf einem Ausdruck aus „FrontDesign“

Wie ist dieser Treiberverstärker gemacht?



Der eigentliche Audioverstärker besteht aus zwei hintereinandergeschalteten Differenzverstärkern mit kapazitiver Kopplung und relativ geringer phasenstarrer symmetrischer Gegenkopplung. Die Ausgangsstufe arbeitet auf eine Gegentaktanodendrossel als Lastwiderstand.

Durch diese Anodendrossel erreiche ich hohe Aussteuerbarkeit bei einer vergleichsweise geringen Betriebsspannung von „nur“ 380V, wobei über der Drossel selbst ca. 20 Volt abfallen. Mit Widerständen als Last müsste die Betriebsspannung für einen ähnlichen Arbeitspunkt der Ausgangsröhre ungefähr doppelt so hoch sein.

Mittels einer Computersimulation kann unter Berücksichtigung der parasitären Eigenschaften der Drossel gezeigt werden, das sich der Klirr durch sie deutlich reduziert und auch der Ausgangswiderstand kleiner ist, ohne signifikante Nachteile auf den Frequenzgang. Als passives Bauteil hat sie bei äußerst geringen Toleranzen und eine hohe Linearität. Sie ist so überdimensioniert, das selbst beim Einsatz ungematchter 6SN7GTB keine Sättigung des Kernes zu erwarten ist.

Generell erfordert dieser Verstärker keinen weiteren Abgleich von Arbeitspunkten oder Symmetrie. Der Einsatz gematchter Röhren ist allerdings empfehlenswert.

Der Ausgang wird wie bei den ganz alten STAX Treiberverstärker der 60er Jahre mittels Kondensatoren ausgekoppelt. Der Grund dafür ist das damit mögliche einfache klassische Röhrennetzteil. An den Koppel-C fällt im Normalbetrieb natürlich praktisch keine Wechselspannung ab, 400VAC/600VDC Spannungsfestigkeit sollte es aus Sicherheitsgründen aber mindestens sein.

Die Eingangsstufe ist ein 6SL7 Differenzverstärker. Damit er gut symmetriert hat er einen extra großen Kathodenwiderstand (12k) als Pseudo-Konstantstromquelle bekommen. Einziger Nachteil ist, das hierdurch am Eingang ein weiterer Koppelkondensator notwendig wird. Das ist aber vom Aufwand her weniger als eine ganze zusätzliche Phaseninverterstufe oder ähnliches.

StaxAsym

Netztrafo und Drossel sowie einige andere Teile stammen aus älteren Projekten von mir. Somit ist das Netzteil hier halb kompromisshaft zu sehen. Eigentlich hätte ich auch auf die DC-Heizung verzichten wollen, aber der Netztrafo war dafür ausgelegt. Da ich hier zum ersten Mal 6SL7/6SN7 verwendet habe, konnte ich deren Brummfreudigkeit entsprechend schlecht einschätzen und habe eben eine DC-Heizung gebaut. Die AC-Heizung des Gleichrichters habe ich mit zwei Drahtwiderständen angepasst. Das Hochvolt Netzteil liefert 380 Volt und ist ein Mittelding aus Drossel- und Kondensatoreingang.

STAXSupply

Um nicht auf die besonders spannungsfesten 6SN7 Typen festgelegt zu sein, könnte die Betriebsspannung entsprechend abgesenkt werden. Bei 380 Volt fallen über der 6SN7GTB effektiv 350 Volt ab (lt. Datenblatt bis 450V erlaubt). Viele 6SN7 Derivate erlauben den Betrieb bis 330Volt Anodenspannung. Möglich wäre z.B., die Spannung schaltbar zu machen oder von vornherein niedriger zu halten. Für einen kompletten Neuaufbau böte sich der Reinhöfer Netztransformator 52.70 an.

Die BIAS Spannung wird nach dem Spannungsteiler nach Messung eingestellt. Dabei ist der Innenwiderstand des Messgerätes zu beachten und es sollte nicht nach den Megaohmwiderständen (also am Ausgang) gemessen werden. Die verwendeten Bauteile müssen alle entsprechend spannungsfest sein. Es ist darauf zu achten, das sich dieser Teil des Netzteils nicht (bzw. nur sehr langsam) selbst entlädt.

Natürlich kann man die Schaltung auch vollsymmetrisch aufbauen, dann entfällt der 12k Widerstand unter der 6SL7. Diese Variante ist ungetestet:

StaxSym

Chassis
Fassungen und Lötleisten sind montiert

Aufbau2
Gleichrichter für DC-Heizung samt 105°C Elko direkt am Netztrafo. Auf den Lötleisten rechts in der oberen Reihe die Beschaltung des Spannungsreglers der DC-Heizung und Spannungsteiler zum Hochlegen des Potentials. In der zweiten Reihe BIAS-Vorspannungserzeugung mit FKP-Kondensatoren, Dioden und den zwei Hochohmwiderständen. In der Tiefe: Isoliert auf Glimmerscheibe mittels Nylonschraube montierter LT 1084.

Ich habe mich bemüht, das Gerät mit Bauteilen von gutem Preis/Leistungsverhältnis aufzubauen. Allerdings rechne ich nicht, was ich beim günstigsten Elektronikdistributor sparen würde, sondern setze meinen Einkauf in Verhältnis zu der anfallenden Arbeitszeit.

Der eigentliche Audioteil ist mit Takman Carbon Film und Kiwame Carbon Film Widerständen bestückt. Das hat auch mit deren Spannungsfestigkeit von mindestens 500 Volt zu tun. Der Lautstärkeregler ist ein Tocos Cosmos aus Japan, ebenfalls Carbon. 8 Stück russische Papier in Öl Kondensatoren im Metallgehäuse und hervorragendem Preis/Leistungsverhältnis sind verbaut. Die Ausgangskoppelkondensatoren sind axiale 400VAC MKP Typen einer deutschen Tochter eines internationalen Großkonzerns mit interner Reihenschaltung.

Aufbau1
Für mich gibt es nichts besseres als keramische Lötleisten: Denyo Ceramic Stand Off. Unten rechts zu erkennen: Tocos Cosmos Stereopoti. In der Mitte ist der Massedraht, rechts in rotem Gewebeschlauch verpackt die Anodenspannung. Takman und Kiwame Widerstände.


Wie immer bei frei verdrahteten Geräten habe ich vor der Bestellung der Alugrundplatte ausprobiert, ob auch alles passt. Die Anodendrosseln habe ich experimentell auf ein Minimum an Einstreuungen aus dem Netztrafo gedreht. Entscheidend sind die Gegentakteinstreuungen, wie immer bei Gegentakanordnungen heben sich Gleichtaktstörungen weitestgehend auf. Während dieses Versuches wurde der Innenwiderstand des Verstärkers von einem passenden passivem Widerstand dargestellt.

Bleibt noch zu sagen das natürlich alle verwendeten Litzen 600V spannungsfest sind, i.d.R. silikonisoliert. Am Netzeingang befindet sich ein Netzfilter, welches die Kaltgerätebuchse mit enthält. Der beleuchtete Netzschalter ist weithin sichtbar und soll verhindern, das das Gerät aus Versehen angelassen wird.

Durch Austausch der Neutrik Cinchbuchsen gegen XLR-Versionen und Einbau eines Vierfach Lautstärkereglers kann ich das Gerät nachträglich auf vollsymmetrischen Betrieb umrüsten.


Inbetriebnahme



Wenn auch Messungen die planungsgemäße Funktion des Verstärkers nahelegten konnte ich ohne eignen Stax-Hörer das Verstärkerteil im praktischen Musikeinsatz nicht ausprobieren. Gefühlt wochenlang stand er fertig bei mir bis ich ihn dann an seinen zukünftigen Einsatzort verfrachten konnte.

Der Verstärker tat auf Anhieb was er sollte. Unter anderem konnte ich die „Audio Stakkato Spezial“ (Kunstkopf) CD einschliesslich Wespenschwarm, zirpenden Grillen und vorbeifahrendem ICE auf mich wirken lassen. Dann gab es das Hörspiel „Verdacht“, vom RBB mittels Kunstkopf ausserhalb des Studios produziert. Musik natürlich auch.

Der jetzige Besitzer des Gerätes schreibt mir für diese Webseite:

„Ich höre seit über 25 Jahren mit dem Stax SR Lambda Pro Kopfhörer sowie dem Verstärker SRD-X/Pro Musik. Dieser Verstärker wurde über ein geregeltes externes Netzteil versorgt. Ich kenne keinen anderen Kopfhörer, der Musik oder auch Hörspiele (z. B. Kunstkopf) so wiedergeben kann. Beim Hören ist mir schon aufgefallen, dass der Stax Instrumente und Sänger klar positioniert hat. Ebenso wurden technische Fehler der Aufnahme hörbar, nur der Bass ließ doch etwas zu wünschen übrig.“

ImBetrieb
So steht der Treiberverstärker bei seinem neuen Besitzer. Winkelstecker für eine gute Optik.


„Gleich bei der ersten CD, die ich gehört habe, ist mir aufgefallen, dass nun alles noch klarer, feiner aufgelöst klingt und der Hörer mehr Bass auf die Ohren bringt. Auch die Lautstärkeunterschiede einer Aufnahme kommen sehr klar heraus. Man muss also den Verstärker mal lauter, mal leiser stellen. Bei einigen CD ist es von Nachteil, dass Fehler einer Aufnahme nun noch genauer reproduziert werden (war vorher nicht so auffällig bzw. so oft). Hat man eine gute CD erwischt, ist es einfach nur Klasse.“

Ohne mich jetzt in unseriöser Weise über den Klang meines Konstruktes zu äußern: Von der reinen Performance her sind Koppelkondensatoren am Ausgang, wenn sie entsprechend hochwertig eingekauft werden, sicher nicht das klangliche Limit eines solchen Verstärkers. Erst wenn Geld keine Rolle mehr spielt für ein maximales Ergebnis mögen sie limitieren. Für jemanden der ein einfaches Gerät bauen will ersparen sie komplizierte Netzteilkonstruktionen, welche ihrerseits wiederum Probleme machen können.

Nicht zu vergessen was das Audiosignal vor Eintritt in den Kopfhörerverstärker bereits gesehen hat an Kondensatoren, Übertragern, „unaudiophilen Kabeln“ und so weiter. Grundsätzlich haben auch gleichspannungsgekoppelte Schaltungen Probleme z.B. mit Drift der Arbeitspunkte, ganz besonders wenn es keine Gegenkopplung gibt. Daher gibt es viele Wege, die man im Selbstbau mit jeweils gutem Ergebnis beschreiten kann und nicht „den“ richtigen Verstärker.

Roehren2


Höher, Weiter, Schneller.....


Wie könnte eine kompromisslosere High-End Version eines solchen röhrenbestückten Treiberverstärkers aussehen? Nur ein kurzes Abstecken der sich ergebenden Fragestellungen:
-Ausgelagertes Netzteil oder nicht?
-Welche Ausgangsröhre wird unter welchen Gesichtspunkten gewählt?
-Lastwiderstand der Ausgangsstufe - Anodendrossel überhaupt gut genug? Oder aktive Last?
-Wie wird man die Koppelkondensatoren am Ausgang los - was bedeutet das für das Netzteil?
-Gestaltung eines aufwändigeren Netzteils mit besserer Siebung
-Ein- und Aufbau in ein Gehäuse - Elektromechanische Aspekte
-Darf man in einem kompromisslosen Gerät Gegenkopplung implementieren?

Roehren1


Links, Disclaimer etc…




Stax ist ein Markenname der Stax Ltd.
Disclaimer: Diesen mache ich mir NICHT zu Eigen!
Der deutsche Vertrieb ist Audiotrade

Datenblatt 6SN7GTB auf Franks Röhrendaten
Datenblatt 6SL7GT auf Franks Röhrendaten
Datenblatt 6X5 auf Franks Röhrendaten

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