Klasse A Gegentaktendstufen 2014



Über den Bau eines Paares Monoendstufen mit 6550 in Ultralinearschaltung und mit Pentodentreiber. Netzteil mit Drosseleingang und Folienkondensatoren.

Die hier beschriebene Schaltung arbeitet mit Hochspannung und ist somit potentiell lebensgefährlich. Für gesundheitliche, technische oder ideelle Schäden die aus dem Nachbau entstehen lehne ich jede Haftung ab, jeder Nachbau geschieht auf eigene Verantwortung. Ebenfalls übernehme ich keine Gewährleistung für die ordnungsgemäße Funktion der Schaltung. Diese Seite richtet sich an Audioamateure, den kommerziellen Nachbau dieser Schaltung (oder Teile daraus) gestatte ich nicht.

Bei meinen Endstufen handelt es sich um Klasse A Gegentaktverstärker, mit der 6550 im Ultralinearbetrieb, angetrieben durch EL84 Pentoden, mit symmetrischer Gegenkopplung und hohem Dämpfungsfaktor. Sie benötigen ein symmetrisches Eingangssignal. Der Neubau ist vollständig frei von Elektrolytkondensatoren und ist im Netzteil mit Wima DC-Link MKP5 Kondensatoren bestückt. Das Gehäuse besitzt eine abnehmbare Haube.

Ich möchte mit den Endstufen jeden Lautsprecher betreiben können, in meinem Fall besonders die klassischen Lautsprecher von Spendor. Die Endstufe ist für diese und ähnliche Lautsprecher konventioneller Bauart und mit normalem Wirkungsgrad gebaut.

Probeauflage
Passt alles? Lockeres Auflegen auf einen 1:1 Ausdruck von „Frontdesign“.


Größer, Weiter, Schneller




Wie wird ein Verstärker besser? Kuriose Frage - Im Fall von Röhrenverstärkern meist beantwortet in Form einer Verdoppelung der Endröhrenanzahl und Ausgangsleistung, oder mit den Einsatz von Exotenröhren, dann meist als Single Ended Triodenverstärker. Klasse A Gegentaktverstärker sind selten, obwohl es die einzige Möglichkeit ist einen Verstärker mit einem über den Aussteuerungsbereich linearen Ausgangswiderstand zu bauen.

Andere Dinge, welche ich gemacht habe sind alle exotisch: Folienkondensatoren hoher Kapazität statt Elkos im Netzteil, Pentoden als Treiberröhren, Netzteil mit Drosseleingang. Für mich sehe ich hinter diesen Maßnahmen rationale Argumente um einen besseren Verstärker zu bauen. Als Vorteile der Röhrentechnik sehe ich die Möglichkeit eben so ein Netzteil zu bauen wie hier beschrieben. Der Ausgangsübertrager ermöglicht eine vergleichsweise simple Gegenkopplung. Röhren haben verglichen mit Halbleitern sehr kleine Toleranzen, Pentoden kleine Eingangskapazitäten und ermöglichen die Gegenkopplung auf das Schirmgitter. Ein hochwertiger Verstärker darf m.E. mit Röhren gebaut sein.

Ich strebe nicht nach einem irgendwie typischen „Röhrenklang“, ich bin kein Hörer der mit so etwas zufrieden sein könnte. Mir ist wichtig, das es verstärkerseitig keine Limitierungen im Frequenzgang und keine Schwäche in der Basswiedergabe bzw. der Kontrolle der Lautsprecher gibt. Das Ergebnis sollte im besten Sinne als „neutral“ durchgehen, der Verstärker als „Black Box“ für einen Großteil der Hörer akzeptabel bzw. unauffällig sein.

Davon abgesehen hätte ich einfach keine Lust mit Halbleitern irgendwas zu bauen, dafür ist der Faszinationsfaktor einfach zu niedrig. Außerdem sollte ein Ding in das ich sehr viel Arbeit hineingesteckt habe das auch widerspiegeln können.

Pertinaxstreifen
Pertinax 5mm Leisten mit Fassungen und Ruhestrompotis bestückt. In den jeweils drei runden Ausspaarungen sitzen später Silikondämpfer.

Das was ich hier gebaut habe



Die neue Version besitzt eine manuelle Ruhestromeinstellung. Die entsprechenden Potis sitzen neben den Endröhren und können mittels Schraubendreher durch die beiden kleinen Löcher im Chassis eingestellt werden. Der Regelbereich der Gittervorspannung geht in etwas von -27 bis -42 Volt, in Mittelposition -35V (Sollwert). Das Netzteil für die negative Gittervorspannung nutzt einen Halbleitergleichrichter und ist ungeregelt. Die Schaltung für die Vorspannung selbst ist von dem 2A3 PP Verstärker von Gerd Reinhöfer inspiriert. Die Poti sind lineare 10k Mono-Poti. An der Verstärkerrückseite sind Laborbuchsen um über ein externes Voltmeter die Spannung über 10 Ohm Messwiderständen an den Kathoden der Endröhren abzugreifen.

AbstrakteSicht
Links ist hinten, dort kann neben dem LSP-Anschluss der Ruhestrom gemessen werden.

Bei 91mA Ruhestrom pro Röhre sollten laut Datenblatt etwa 34 Watt zu erwarten sein. Das scheint sich mit den o.g. Forderung Lautsprecher normalem Wirkungsgrades anzutreiben zu widersprechen. Würde der Verstärker auf mehr Ausgangsleistung optimiert, z.B. 100 Watt wäre die Folge das aufgrund der log. Lautstärkeverhältnisse der Verstärker etwas lauter spielen könnte (ca. 5° Dreh am Lautstärkeregler!), ungünstigerweise aber an Dämpfung und somit Kontrolle über die Lautsprecher verliert. Im AB Betrieb arbeiten eben nicht beide Röhren vollständig mit und zu allem Unglück wird der Innenwiderstand der Endstufe dann auch noch nichtlinearer. Leistung und Dämpfung mögen zwar korrelieren, sind aber nicht gleich. Auch sind z.B. die Verhältnisse bei Klasse A „Single Ended“ vs Gegentakt ganz verschiedene, im Gegentakt entfällt u.a. die Sättigung des Ausgangsübertragers durch den Ruhestrom.

Die 6D22s Gleichrichter machen einen schönen Softstart und haben für ihre Leistungsklasse einen entspannten Job in dem Netzteil welches jetzt einen Drosseleingang und insgesamt zwei Siebdrosseln besitzt. Die Anodenkappen welche hier eigentlich Kathodenkappen sind, wurden mit einer entsprechend Spannungs- und Hitzefesten Leitung verbunden und durch kleine Kabeldurchführungen mit Zugentlastung ins Gehäuse geführt.

6d22s
6D22s vor ihren Kabeldurchführungen


Es folgt ein optionaler Kondensator zur Feineinstellung der Betriebsspannung, hier ist auf AC-Spannungsfestigkeit zu achten. Dieser wird in jedem Spannungszyklus einmal vollständig auf- und entladen. Dann kommt eine vergossene 10H Drossel als Drosseleingang. Diese Art von Netzteil hat in sich die Tendenz zur Spannungsstabilisierung ohne weitere aktive Bauelemente, die Stromentnahme aus dem Stromnetz ist kontinuierlich und nicht auf den Scheitelpunkt der Sinusschwingung begrenzt. Diese Eigenschaften machen das Netzteil selbst zu eine Art ultimativem Netzfilter. Nachteil sind entsprechend erhöhte Kosten und Platzaufwand.

Ein Millifarad Kapazität befindet sich neben dem Ausgangsübertrager nur für die eigentliche Endstufe.

Zusammenschaltungen von Spulen und Kondensatoren neigen zur Ausbildung von Schwingkreisen. Die Spule ist in diesem Fall der Ausgangsübertrager, welcher vorgegeben ist. Mit der Kapazität stelle ich das Netzteil an der Stelle ruhig. Die Kapazität ist also nicht notwendig um keinen 50Hz Brumm zu haben, dafür genügt weniger. Auch die 500 Mikrofarad über der Treiberstufe sind nicht so zu verstehen. Mittels einer Computersimulation wurde das Netzteil so abgestimmt das es möglichst wenig Eigenleben führt, auch die Drossel zur Treiberstufensiebung wurde unter diesem Aspekt dimensioniert. Die Folienkondensatoren haben verglichen mit Elkos so gut wie keinen Innenwiderstand, vermutlich ist die Verdrahtung die größte Limitierung. Folienkondensatoren werden immer günstiger und die hier eingesetzten DC-Link Kondensatoren waren für mich ein Hauptgrund des Neuaufbaus.

EndstufeOben

Den Ausgangsübertrager habe ich aus dem alten Verstärker genommen, er wurde seinerzeit von Herrn Reinhöfer für meine Schaltung gewickelt und hat eine speziell verschachtelte Lautsprecherwicklung mit Mittenanzapfung welche mir die symmetrische Gegenkopplung auf die Kathoden der Treiberstufe ermöglicht.

AUe
Von Herrn Reinhöfer für mich gewickelt: Ausgangsübertrager für symmetrische Gegenkopplung von der Sekundärwicklung auf die Kathoden der Treiberstufe (oben links).


Die Treiberstufe wird von einem Paar EL84 Pentoden gebildet, alternativ kann ich jetzt SV83 einsetzen, eine fast kompatible Röhre mit weniger Klirr aber höherem Innenwiderstand. Die Schirmgitterspannung von 150 Volt lässt deren Verwendung zu. Die Treiberstufe arbeitet jetzt auf eine Gegentaktanodendrossel von Reinhöfer. Diese ist so ausgelegt, das Befürchtungen bzgl. Bandbreite weit außerhalb des relevanten Bereiches liegen, schön ist aber die zu erwartende weitere Reduktion des Klirr um grob 50%.

ItWasTheDriver
Ganz links: Gegentaktanodendrossel, davor ein Paar EL84 und eine 12BH7

Der Verstärker ist für 8 Ohm Lautsprecher ausgelegt, jedoch hat natürlich kein Lautsprecher einen vollständig linearen Impedanzverlauf. Impedanztiefpunkte, z.B. 4 Ohm im Bassbereich, bedingen aufgrund der Gegenkopplung eine größere Auslenkung der Treiberstufe. Hier liegt ein Vorteil der Anodendrossel bzgl. des Antreibens „leistungshungriger“ Lautsprecher.

Endstufe2014

Für die Basswiedergabe gilt, das ich die untere Grenzfrequenz des Verstärkers durch den RC-Filter zwischen Eingangs- und Treiberstufe festlege. Die beiden großen Koppelkondensatoren zwischen Treiber- und Endstufe sind nicht aufgrund der sich ergebenden Grenzfrequenz gewählt, sondern aufgrund der sich ergebenen Phasenreserve, um Lautsprecher im Bassbereich kontrollieren zu können.

Die Anodendrossel sitzt etwas abseits auf dem Chassis direkt neben den Siebkondensatoren der Stufe. Zu Sicherung der Phasenreserve und zur Unterdrückung von HF-Problemen ist ein RC-Glied zwischen die Anoden der Treiberstufe geschaltet. Sonst könnten durch das Lautsprecherkabel aufgefangene HF-Signale direkt von der Treiberstufe verstärkt werden und in der Endstufe herumgeistern. Somit ist die obere Grenzfrequenz fest definiert und keine Nebenwirkung einer Bandbreitenreduktion z.B. aufgrund der Anodendrossel. Deren parasitäre Kapazität ist mit 65pF ausserordentlich gering. Auch bei Einsatz der SV83 mit hohem Innenwiderstand gibt es keine hörbaren Einschränkungen an den Frequenzextremen.

Anodendrossel
Kontroverses Objekt: Gegentaktanodendrossel.


Letztendlich ist die Anodendrossel am Treiber etwas, für das sich viele Pro- und Kontraargumente finden lassen, eine einzig allein richtige Lösung gibt es an dieser Stelle nicht. Die Drossel könnte ohne weitere Änderungen durch 12k 5 Watt Widerstände ersetzt werden.

Die Eingangsstufe wird durch eine Doppeltriode 12BH7 gebildet und ist somit deutlich niederohmiger als in der alten Endstufe.

Alle in dem Verstärker eingesetzten Röhren sind aus neuer Produktion zu bekommen, am besten in jeweils ausgemessenen Paaren. Die Neuauflage der Tung-Sol 6550 sowie die EL84 Genalex Gold Lion haben sich als gute Wahl herausgestellt. Der Dauerbetrieb mit SV83 erfordert aufgrund der Anodendrossel ein kontrolliertes Hochfahren der Betriebsspannungen. Die 6D22s von Sovtek entspricht weitestgehend der Röhre EY500 und war ursprünglich Dämpferdiode in Fernsehgeräten. Sie ist nach wie vor (jetzt als „Audioröhre“) lieferbar und benötigt unbedingt eine eigene Heizwicklung.

End2014Netz
TungSol6550
Die aktuell erhältliche Tung Sol 6550 aus Russland ist eine Kopie der Originalen Tung Sol 6550 aus USA einschliesslich Getterspiegel an den Seiten. Sie bietet ein sehr gutes Preis/Leistungsverhältnis. Unter den beiden kleinen Löchern sitzen die Ruhestrompotis.

Der Aufbau



Ich habe wieder ein spiegelbildliches Paar gebaut. Die Aluminiumplatten sind wie immer von Schaeffer Apparatebau. Die Haube ist abnehmbar, allerdings natürlich geerdet durch einen seitlichen Stecker. Die vordere Alublende an der Haube hält die Strahlungshitze der Röhren von den Kondensatoren fern, nach hinten ist die Haube offen.

Das Chassis hat eine Netzteilseite mit Trafo und erster Siebdrossel. Dann folgen die Kondensatoren der eigentlichen Endstufe, daneben der Ausgangstrafo und die zweite Drossel. Auf der anderen Seite daneben die Eingangsstufe mit Anodendrossel und Kondensatoren. Die Kondensatoren stehen jeweils direkt neben ihren Verstärkerstufen, die Anodendrossel etwas entfernt von anderen Induktivitäten.

Die Masseverdrahtung ist nicht punktförmig, sondern folgt in Form eines Kupferdrahtes dem Chassisaufbau. Die Masse des Hochspannunsgnetzteils ist an einem Punkt unter den Endröhren mit dem Ruhestromnetzteil verbunden. Die Masse ist an einem Punkt mit dem Chassis verbunden.

Die DC-Link MKP 5 Kondensatoren sitzen in 50mm Schellen. Die Pins sind freiverdrahtet, sind lang genug, das jeweils auch mehrere Drähte um sie geschlungen und verlötet werden können.

Die Röhren sitzen auf eine Art Subchassis aus 5mm Pertinax, entkoppelt über Silikondämpfer. Für diese gibt es schöne Datenblätter, bei welchem tragendem Gewicht sich welche mechanische Dämmung vs. Frequenz einstellt, bei 100Hz kann man ca. 20dB erreichen, also Faktor 10. Diese Art der Montage mit den großen runden Ausschnitten in der Aluplatte ergibt eine gute Kühlung der Röhren, insgesammt ist die neue Endstufe deutlich „cooler“ als die alte.

Die Schaltung der Vorstufe ist im wesentlichen unter den Fassungen der Röhren untergebracht, mittlerweile bevorzuge ich keramische Lötleisten. Die Fassungen sind bis auf die Magnovalfassungen der Gleichrichterröhren von Azuma aus Japan. Die Magnovalfassungen sind russische Typen.

Eingangsstufe1
Aufbau der Eingangsstufe auf der Rückseite des Pertinaxstreifens auf keramischen Lötleisten.

Eingangsstufe2
Vorteil ist, das ein Großteil der Schaltung auf dem Pertinaxstreifen untergebracht ist, somit vor der Montage des Streifens im Gehäuse bequem aufgebaut werden konnte, um dann als „Modul“ eingebaut zu werden.

Endroehrenbeschaltung
Unter den Endröhren, die Ruhestrompotis sind durch die großen Widerstände verdeckt. Die 10 Ohm Widerstände im Vordergrund sind die Messwiderstände für den Ruhestrom.

Schwingungsdaempfung
Montage mit Silikondämpfer.

Die meisten Widerstände sind MIL MRA 5 oder 12 Typen, das sind nichtinduktive Drahtwiderstände. Die Koppelkondensatoren sind Clarity Cap MR, m.E. im Gegensatz zu anderen teuren Kondensatoren ihr Geld wert. Etwas Zeit zum „einspielen“ sollte man ihnen lassen.

Bleibt das Holzgehäuse, das wurde fachmännisch von einem verwandten Tischler hergestellt, sogar der verwendete Leim wurde eingefärbt. Es ist geölt mit Leinsamöl. Der ganze Verstärker hat etwas Überbreite und dürfte um die 20Kg wiegen.

EndstufeInnen
Innenansicht. Die Beinchen der beiden großen MKP-Kondensatoren habe ich natürlich nach erfolgreicher Probephase gekürzt und isoliert. Gewebeschlauch zu Isolationszwecken. Mittlerweile haben die Verstärker Bodenplatten aus Aluminium.


Holz2014
Welches Holz bin ich?



Links:

Reinhöfer Übertrager (speziell für diesen Verstärker), Netztransformator und Drosseln
Norman Koren „Feedback and fidelity“ über Gegenkopplung und deren Tücken (engl.)

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