Wiedergabe von Monoschallplatten


Im Folgenden geht es um ein paar Gedanken zu alten Monoschallplatten und deren Wiedergabe. Der Schwerpunkt liegt auf dem Aspekt der Entzerrung. Der Artikel behandelt ausschliesslich Mikrorillenschallplatten („Langspielplatten“) und nicht Normalrillenplatten („Schellack“).


Einleitung


Beim Blick in einschlägige Internetforen fällt auf: Monoplatten hören ist hochmodern. Ein nie da gewesenes Angebot an Monotonabnehmern und speziellen Phonoentzerrern ist auf einmal vorhanden. Für den Musikliebhaber stellt sich die Frage, ob er das alles braucht und wenn ja was. Welche Platte ist denn nun normgerecht (also „RIAA“) verzerrt und was kann man aus solchen Platten an „Klang“ herauskitzeln?

Am Anfang steht der Wunsch eine bestimmte Musik hören zu wollen, wenn die Schallplatte das bevorzugte Medium ist und die Aufnahme alt genug, kann es sein das sie sich auf einer Monoschallplatte befindet. Auch von älteren Stereoaufnahmen kann man oft Monopressungen finden, welche parallel zu den Stereoexemplaren erhältlich waren. Das hat u.a. damit zu tun, das echte Monotonabnehmer, welche nur horizontale Bewegungen der Nadel zulassen eine Stereo-LP bei der Wiedergabe zerstören würden.

Monoaufnahmen (bis ca. 1960) gibt es nicht nur auf Mono-LPs. Es kann auch sogenannte Electronic-Stereo-Ausgaben („Breitklang“ etc..., Z.B. auf Decca „Eclipse“ oder DGG „Heliodor“) geben, welche eine Art Pseudostereophonie darbieten und für heutige Ohren meist grauenhaft klingen. Hierbei wurden verschiedene Frequenzen (also Tonhöhen) verschieden auf die beiden Stereokanäle abgemischt. Daher ist es in einem solchen Fall ratsam, sich eine echte Mono-LP der Aufnahme zu suchen.

Dann gibt es Mono-LP von Stereoaufnahmen (bis ca. 1965 je nach Land und Plattenfirma). Wenn die Stereoausgabe nur selten genug ist oder die Aufnahme z.B. nur auf Tonband in Stereo veröffentlicht wurde, auch dann kommt man nicht oder nur für viel Geld um die Mono-LP herum. Dann gibt es noch Stereoaufnahmen aus der Frühzeit der Stereophonie welche klanglich so unvollkommen sind (nach subjektiver Meinung), das man auch hier auf Monoausgaben zurückgreifen kann.

Wie erkennt man Monoplatten? Daran das nicht Stereo draufsteht! Nicht sicher an einer Platte zu erkennen ist, ob es von der entsprechenden Aufnahme auch eine Stereoausgabe gibt. Außerdem gibt es einige Aufnahmen im Klassikbereich, welche nach Einführung der Stereophonie von den Plattenfirmen einfach „wiederholt“ wurden.

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Bekanntes Beispiel: Tschaikowski Sinfonien mit den Leningrader Philharmonikern. Links Mono Mitte 50er Bestellnummer 18 333 und rechts in Stereo ca. 1960 mit 138 658. Eine Mono Ausgabe der Stereo-Aufnahme erschien nicht, es gab keine Bestellnummer 18 658.

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Stravinsky Le Sache mit Ansermet: Links in Mono, Aufnahme 1950/51 als London LLP 303; rechts die Wiederholung in Stereo aufgenommen im Mai 1957 als London CS 6031. Hier wurde die Neuaufnahme von 1957 auch als Mono-LP veröffentlicht: London LL 1730. Beide Mono Aufnahmen machte der Ingenieur Gil Went, die 1957 parallel entstandene Stereoaufnahme machte Roy Wallace. Produzent 1950/51 war Olof, 1957 war es James Walker. Beide Platten wurden in der Victoria Hall in Genf aufgenommen. Die Mono LP links zeigt den "ffrr" Schriftzug und erfordert für perfekte Wiedergabe einen Mono Tonabnehmer und eine angepasste Entzerrung.

Wie klingen Monos?


Grundsätzlich bedeutet der Begriff Monophonie das nur ein Kanal übertragen wird und das bedeutet bei der Wiedergabe über eine Stereoanlage, das die Musik punktförmig aus der Mitte der beiden Lautsprecher kommt.... kommen soll. Wenn es bei Ihnen nicht punktförmig aus der Mitte kommt, kann das liegen an Aufstellung und Raumakustik, Toleranzen der Verstärkerkanäle (Potentiometer, Röhren), Justage des Tonabnehmers (falls Stereo), ungenügender Reinigung einer Schallplatte oder Sonstiges.

Abgesehen von der fehlenden räumlichen Breite kann man die Wiedergabe qualitativ auf ein Niveau bringen, welches beim Musikgenuss die Übertragung durch eine Musikanlage vergessen lässt. Dafür ist auch nicht zwangsweise ein Monotonabnehmer oder ein einstellbarer Entzerrer notwendig. Bei hochwertigen Anlagen kommt wie bei der Stereowiedergabe ein gewisser Raumklang des Aufnahmeraumes als Hall zur Darstellung, der in Verbindung mit der Tiefenstaffelung einen befriedigenden Raumeindruck vermitteln kann.

Mangels Breite ist die Tiefenstaffelung das wesentliche gestalterische Element bei Monoaufnahmen so das Solisten häufig deutlicher vor der Begleitung/dem Orchester stehen, als man es von Stereoaufnahmen gewohnt ist. Durch das im Vergleich zur Stereowiedergabe räumliche zusammenrücken der Tonquellen bei Monowiedergabe ergibt sich in Bezug auf das Vermischen von Obertönen der Instrumente und den anderen Bedingungen für das Verdecken von Klängen (und Verzerrungen) eine andere, monoeigene Klangcharacteristik. Perfekt wiedergegebene Monoplatten haben auch abgesehen von der Räumlichkeit einen anderen Klang als die entsprechende Stereoausgabe.

Monophone Wiedergabe über eine Stereoanlage hat Vorteile. Die Anregung des Raumes im Bassbereich an zwei verschiedenen Punkten ist akustisch günstiger in Bezug auf Raummoden als ein einzelner Lautsprecher. Der virtuelle Monolautsprecher in der Mitte kann auch psychoakustisch nicht als Phantomschallquelle agieren da er kein Gehäuse hat, an dem Reflexionen stattfinden könnten. Es ist also keineswegs so, das für Monowiedergabe eine gesonderte Monoanlage benutzt werden muss. Letztere Variante ist eher ein hörphilosophisches Konzept in modernen Zeiten.


Wasch and go


Monoschallplatten sind älter als durchschnittliche alte Stereo-LP, bestehen aus anderen, älteren Vinylmischungen und waren länger mit ihrer jeweiligen oft ebenfalls mit Kunstoff bezogenen Innenhülle zusammen. Erfahrungsgemäss ist die Schallplattenwäsche bei Mono-LP noch wichtiger für ein gutes Wiedergabeergebnis als bei Stereo-LP, besonders dann wenn die Monoplatten mit einem Stereosystem abgetastet werden sollen. Hierbei geht es nicht einfach um Schmutz, der ja gar nicht immer stark vorhanden ist, sondern um ausgetretene Weichmacher des Vinyls in der Tiefe der Rille, welcher den Abtastvorgang behindern.

Die Wäsche mit den üblichen selbstgemischten mehr oder weniger Alkohol- und Destwasserhaltigen Lösungen bekommt kaum mehr als den oberflächlichen Staub von den Platten herunter. Modernere fertig käufliche Schallplattenwaschmittel können Verbesserungen bringen. Dennoch sehen viele Monoplatten nach der Wäsche nicht so sauber auf der Oberfläche aus wie von neueren Stereo-LP gewohnt, auch bestehen Laufgeräusche weiter fort, bei der Wiedergabe könnten einzelne Instrumente besser getrennt sein, Bässe deutlicher hörbar sein etc.

Mittlerweile habe ich erste Erfahrungen mit einem speziellen Vorwaschmittel für besonders stark verschmutzte Platten gemacht, das Mittel heißt „BreakTheMold“, kommt von Keith Monks und erreicht ein sehr gutes Waschergebniss mit reduzierten aber mindestens gleichmäßigeren Laufgeräusch. Die Oberfläche nach dem Waschen sieht ebenfalls ungwöhnlich „sauber“ aus. Das Mittel wird auf die Platte aufgetragen, nach einer Minute eingebürstet und anschl. nach einer weiteren Minute abgesaugt, es folgt ein regulärer Waschgang hinterher.


Monotonabnehmer


Die Stereoschallplatte enthält in jeder Rillenflanke, also um neunzig Grad versetzt, jeweils einen Stereokanal, die Abtastung erfolgt also in einer Kombination aus Seiten- und Tiefenschrift (links/rechts/oben/unten), die Monoplatte enthält nur einen Kanal welcher durch Seitenschrift, also links/rechts Auslenkungen der Nadel codiert ist. Die Monorille ist also eine Gegentaktanordnung, ähnlich wie das Signal durch symmetrische Verstärkerzüge und Signalverbindungen vor Einstreuungen etc. geschützt ist, können mit einem echten Monotonabnehmer auch visuell nicht mehr neuwertige Monoplatten mit wenig Störgeräuschen abgespielt werden, weniger als beim Abspielen mit einem Stereosystem. Während Stereoschallplatten wenn sie abgenutzt sind vor allem im Hochtonbereich Probleme bekommen äußert sich die Abnutzung bei Monoplatten eher allgemeiner in einem diffusen Qualitätsverlust über den gesamten Frequenzbereich.

Echte Monotonabnehmer lassen mechanisch nur die Abtastung von Seitenschrift zu und sind somit geeignet Stereoschallplatten zu zerstören. Die Rille der Monoschallplatten von der Einführung der Microrille 1948 bis ca. 1970 ist breiter als die Stereorille, der Diamant des Monotonabnehmers hat daher 25µm Verrundungsradius während die Stereoversion nur 15 bis 18µm Verrundungsradius hat. Daraus ergibt sich zwangsläufig das ein Stereosystem zum einen „tiefer“ in der Monorille läuft und zum anderen das es aufgrund seiner Eigenschaft Tiefenschrift abzutasten auch mehr Störgeräusche abtastet - in der Tiefenschrift liegt bei einer Mono-LP keine Information. Echte Monotonabnehmer kommen schlecht mit welligen Platten klar, da sie eben in dieser Ebene nicht abtasten können, wodurch das hohe Pressgewicht und die Ebenheit der 50er Jahre Platten klar wird.

Zwischen echtem Mono- und Stereotonabnehmer gibt es jede Menge Zwitter, Monosysteme mit 17µm Nadel, Stereosysteme mit nur einem (mechanisch auf Seitenschrift ausgerichteten) elektrischen Kanal und 25µm Nadel etc..., aktuell mit steigender Vielfalt. Oft ist aus den Beschreibungen der Hersteller/Händler gar nicht zu ersehen, warum es sich wirklich handelt. Bei einigen klassischen und bereits länger am Markt verfügbaren Systemen gibt es monoisierte Stereotonabnehmer welche bei gleichem Gewicht, Größe u.s.w. ohne große Justagearbeiten am Tonarm getauscht werden können. Da echte Monosysteme ganz anders aufgebaut sind und mechanisch Stereoschallplatten zerstören können verlangen diese mindestens einen eigenen Tonarm, zumindest wenn nicht ausschliesslich Monoplatten gespielt werden sollen.

Die Rille einer jeden Langspielplatte, egal ob Stereo- oder Mono-LP wird als Mikrorille (engl. "microgroove") bezeichnet. In der Frühzeit der Langspielplatte diente dieser Begriff der Abgrenzung gegenüber der Normalrille der Schellack/Grammophonplatten. Praktisch allen moderneren, elektrisch aufgenommenen Mono Schallplatten haben die Seitenschrift gemeinsam.


Verzerrung und Normen


Im Allgemeinen hat Musik am meisten Pegel im Bassbereich, wo das Ohr an sich relativ unempfindlich ist. Besonders gut wird im Bereich oberhalb von 1KHz gehört, der Hochtonbereich selbst hat in der Regel sehr wenig Pegel. Unter diesen Umständen und in Bezug auf den Rauschabstand ist es nicht Optimal einfach Musik 1:1 auf die Platte zu übertragen, stattdessen wird sie beim Schnitt verzerrt und bei der Wiedergabe entzerrt.

Zum Beispiel RIAA: Oberhalb von 2120Hz wird der Hochtonbereich angehoben. Das geht natürlich nicht unendlich, es endet oberhalb des Hörbereichs mit der sog. Neumann-Konstante. Unter 500Hz ist das Ohr nicht so empfindlich, es wird abgesenkt. Damit der Tiefbassbereich allerdings nicht im Rauschen versinkt hört man bei 50Hz wieder auf („Bass Boost“). Verzerrungen, die wie die alte CCIR nur mit zwei Zeitkonstanten definiert sind haben einen sehr schlechten Rauschabstand, wenn man nicht künstlich den Bassbereich beschneidet. Praktisch muss man bei einem Entzerrer eine dritte Zeitkonstante hinzunehmen, um nicht subsonische Probleme zu bekommen. In meinem Entzerrer habe ich 20Hz gewählt.

Dann muss man sich darüber klar sein, das sich die Entzerrungsnormen im Laufe der Zeit geändert haben, es gibt nicht eine DIN, nicht eine CCIR-Norm u.s.w., irgendwann in den 60ern wurde CCIR identisch mit RIAA, auch die DIN-Norm u.s.w. Ich vereinfache das Ganze hier auf die für die Microrillenschallplattenwiedergabe notwendigen von RIAA abweichenden Normen.


Entzerrung


Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten einen Monoentzerrer aufzubauen. Entweder mit fest aufgebauten Filtern welche das genaue Gegenstück zu der Verzerrung der alten Platten darstellen oder Entzerrer welche sich mittels Potentiometereinstellungen an eine Kurve annähern können. Letztere Version lässt dem persönlichen Geschmack ähnlich wie bei Klangreglern mehr Spielraum, Nachteile bestehen in der Genauigkeit und Reproduzierbarkeit von Einstellungen sowie in Problemen welche aus den schlechten elektrischen Toleranzen (mehrere Prozent) von Potentiometern resultieren. Der Tiefbassbereich (sog. „Bass Boost“ / 3. Zeitkonstante) bleibt bei diesen Entzerrern i.d.R. unbeeinflusst.

Eine Verzerrung definiert sich über sog. Zeitkonstanten (in Mikrosekunden = µs) aus denen sich Filterfrequenzen (in Hz) wie sie in diesem Text auftauchen berechnen lassen. Die elektrischen Filter zum Ver- und Entzerren lassen sich hieraus direkt ableiten. In der Regel bestehen sie aus einer Kombination von Widerständen und Kondensatoren, deren Qualität und Toleranzen maßgeblich Einfluss auf die Qualität der Wiedergabe haben. Selten werden die Filter mit Induktivitäten, also Spulen aufgebaut.

Angaben wie „Treble Rolloff -14,5dB“ werden gemacht, um an einem Equilizer entzerren zu können, entweder relativ zu einer bereits durchgeführten RIAA Entzerrung oder absolut. Die historischen Filter werden hierbei nicht 1:1 nachgestellt, auch kann aus diesen Angaben nicht genau auf den Aufbau eines Filters geschlossen werden. Da ich mich aber selber mit dem Bau von Phonoverstärkern beschäftige arbeite ich ausschliesslich mit Frequenzangaben.

Das was nicht auf der Platte drauf ist kann auch nicht entzerrt werden. Beispiel: Ich besitze eine Decca LXT 2501 in der deutschen Erstausgabe (siehe weiter unten). Mit allen Entzerrungen fehlt es der Platte an Grundton. Gleiches gilt für einige alte russische Mono-LPs. Man kann eben nicht aus allen Platten ein normales HIFI-Monoklangbild herausholen. An dieser Stelle möchte ich nochmal darauf hinweisen, das die korrekte Entzerrung einer Schallplatte nach einer Norm eine andere Sache ist, als die Anpassung der Wiedergabe an den persönlichen Geschmack. Letztere ist durch konventionelle Klangregler einfacher zu haben.

Grundsätzlich sind die meisten Monoplatten und praktisch alle Stereoplatten mit RIAA verzerrt. RIAA stellt einen optimalen Kompromiss zwischen den ganzen vorherigen Entzerrungen dar. Es kann durchaus geschickt sein, sich von einer Aufnahme die man hören möchte eine RIAA-verzerrte Mono-LP aus den 60ern zu besorgen! Diese ist dann oft auch in besserem Zustand als eine aus den 50ern, welche mit 50er Jahre Tonabnehmern durchpflügt wurde und erspart den variablen Entzerrer einschliesslich der Verluste, welche bei bestimmten Verzerrungen zwangsweise auftreten.

Bei Unklarheit über die Verzerrung einer Schallplatte ist es immer ratsam, bei der Wiedergabe mit dem normalen RIAA-Filter zu entzerren. Erst wenn das Ergebnis nicht zufriedenstellend ist kann aufgrund von Erfahrungswerten nach der passenden Entzerrung gesucht werden. Bei den großen Plattenfirmen ist in der Regel bekannt, welche Entzerrungen in Frage kommen. Diese Website mag als Hilfestellung dienen.


Die einzelnen Entzerrungen



Um die hier gemachten Aussagen sowie die von mir gebauten Entzerrervorverstärker zu überprüfen, besitze von bestimmten LP Ausgaben in verschiedenen Pressungen. Z.B. Duke Ellington „Uptown“ als „LP“, „Minigroove“ und „RIAA“ verzerrtes Exemplar.

CCIR 350Hz / 3180Hz

Diese Norm betrifft v.a. die alten Mono-LP der Deutschen Grammophon Gesellschaft. Sie sind dadurch zu erkennen, das das Pressdatum in der Auslaufrille steht und an einem Rechteck, in dem die Umdrehungszahl steht. Auch Telefunken LP (also deutsche „TelDec“, Decca) bis in die Mitte der 50er Jahre sind hiermit verzerrt, ebenfalls frühe Eterna LP.
Diese Platten klingen bei RIAA-Wiedergabe sehr warm ohne echten Tiefbass. Richtig entzerrt wird das Klangbild deutlich neutraler. Mit der Anhebung der sehr tiefen Frequenzen verschlechtert sich technisch der Rauschabstand. Diese Platten profitieren deutlich von der richtigen Entzerrung.

kllpm18008. kllpm18008lab1
Eine der ersten LP der deutschen Grammophon, das Label ist so dunkel.
kl18099lab1. kl13036lab1
Mitte rechts auf dem Label das Rechteck mit "M33"

Ein besonderes Phänomen sind frühe deutsche Decca-Monos. Diese ähneln vom Schnitt und Prägung der Auslaufrille oft den englischen Decca- oder London Pressungen. Dennoch konnte ich mittlerweile bei mehreren Platten im direkten Vergleich einen deutlich schlechteren Klang der deutschen Pressung feststellen. Insbesondere sind die deutschen Pressungen durch die CCIR-Entzerrung am nähesten am Klang der ansonsten RIAA oder mit der u.g. Hausverzerrung verzerrten Vergleichsexemplare. Meine Hypothese: Offenbar hat man wohl für den deutschen Markt CCIR verzerrte Platten hergestellt, welche aufgrund der technischen Parameter dieser Verzerrung nicht den Klang der anderen Pressungen erreichen.

1stTelDecCov. 1stTelDecLab
Die deutsche Erstausgabe von LXT 2501 macht optisch und akustisch nichts her

DIN TelDec „European“ 50Hz / 500Hz / 3180Hz

Dieser Filter entspricht einer von RIAA abweichenden DIN-Norm und wird oft auch als „European“ bezeichnet. Er stellt eine Art Übergang zwischen der CCIR-Kurve und RIAA dar. So wie RIAA verzerrte später Platten auch tragen sie das Symbol eines auf der Spitze stehenden Dreiecks mit der Umdrehungszahl. Potentiell sind deutsche Platten aus den späten 50er Jahren so verzerrt.
Bei der Wiedergabe mit RIAA ist ein zurückgenommerner Hochtonbereich zu erwarten - wie er allerdings bei vielen alten Monoaufnahmen ohnehin oft vorkommt.


„EMI“ 50Hz / 500Hz / 1590Hz

Betrifft alte Mono-LP des EMI-Konzerns bzw. der Electrola in Deutschland. Die deutschen Ausgaben mit dem Semicircle-Label (Nipper im Halbkreis) bzw. die deutschen Columbiaplatten mit dem dunkelblauen Etikett (gab es bis ca. 1957/58), sicher für eine gewisse Übergangsphase auch die rot und hellblau etikettierten Platten.
Die Platten sind bei RIAA Wiedergabe präsent und hochtonintensiv, können u.U. sogar abgenutzt/abgespielt klingen oder zerren. Für die alten EMIs lohnt sich daher ein anpassbarer Entzerrer auch mehr als für die Platten anderer Label, weil das Klangbild bei RIAA-Entzerrung lästig ist.
Ich besitze eine britische Columbiapressung mit Vibraphonjazz (Lionel Hampton mit Gene Krupa, 33CX10027), die klingt bei RIAA Wiedergabe und Stereotonbnehmer z.B. total abgespielt, richtig entzerrt ist alles in Ordnung, bei Verwendung eines Monosystems gradezu perfekt.

kl33c1010. kl33c1010lab1
UK-Columbia hergestellt von der EMI.

kl33wcx1268. kl33wcx1268lab1
Deutsche „Columbia“ hergestellt von Electrola.

klalp1121lab1. klwalp1135lab1
HMV-Serie: Links EMI, rechts Electrola

RIAA (=RCA „New Orthophonic“) 50Hz / 500Hz / 2120Hz

Das ist nichts anderes als die RIAA Kurve, welche unter der Bezeichnung „New Orthophonic“ um 1955/56 bei der RCA (die Rede ist von US-Pressungen) eingeführt wurde. Auf den RCA-Platten steht oben rechts auf dem Frontcover z.B. „New Orthophonic High-Fidelity“, das bedeutet das man die Platten praktisch mit der RIAA Entzerrung wiedergeben soll. Alternativ findet sich ein Hinweis auf die Entzerrung im Text auf der Rückseite. Das diese Monos oft ein Klangbild haben, was z.B. von der entsprechenden Stereoausgabe tonal deutlich abweicht ist eine andere Geschichte - mit einer anderen Entzerrung wird dieser Effekt genausowenig geringer wie bei Verwendung eines Monotonabnehmers.

RCA "Orthophonic" bzw. Old-Orthophonic 500Hz / 2800Hz

Wenn es New Orthophonic gibt muß es auch „Old Orthophonic“ gegeben haben. Die Zeitkonstanten ermöglichen kein guten Hifi-Klangbild, die Platten (ich habe nur wenige) bekommen bei richtiger Entzerrung ein neutraleres Klangbild, sind aber nicht wirklich zufriedenstellend. RIAA Wiedergabe ergibt ein sehr dünnes Klangbild.

RCAOOCover. RCAOOLabel
Typisches Design einer frühen RCA-LP, welche diesen Filter benötigt

Columbia „LP“ 100Hz / 500Hz / 1590Hz

Hier ist mit Columbia die amerikanische Columbia gemeint, die Aufnahmen erschienen in Europa teilweise auf Philips Schallplatten, später unter dem Label „CBS“. Columbia führte 1948 die Langspielplatte ein, alte Exemplare zeigen noch die Zwillingsnote, welche auf eine gemeinsame Vergangenheit mit der britischen Columbia (siehe „EMI“) verweist, und wo auch einige frühe Titel in Europa erschienen. Alte Klassikplatten haben ein blaues, Platten mit Unterhaltungsmusik ein dunkelrotes Etikett, alle diese Platten sind „LP“ verzerrt. Auch die bei Columbia hergestellten frühen Westminster LP mit grünem Etikett sind „LP“ verzerrt.
Technisch gesehen garantiert die LP-Verzerrung einen guten Rauschabstand, besser als RIAA, wegen einem 100Hz „Bassboost“ auf den Platten. Der klangliche Unterschied zu RIAA äußert sich in einer relativ kleinen Verfärbung von Stimmen und Klangfarben, bei einzelnen Platten kann der Unterschied so klein sein das er in den Feinheiten der gesamten Abstimmung einer Wiedergabeanlage untergehen kann. Die Hochtonwiedergabe verzerrt bei RIAA Wiedergabe tendenziell, aber nicht so stark wie bei EMI Monos.
Eine Sonderrolle spielen die ganz frühen Schallplatten aus den späten 40er Jahre. Hierbei handelt es sich um die ersten modernen Mikrorillenschallplatten, welche ab 1948 die Basis für die weitere Entwicklung der Schallplatte an sich legten. Die ersten Exemplare wurden noch nicht von Tonbändern, sondern von anderen 16 Zoll Platten direkt überspielt und haben einen gewissen Eigenklang. Dennoch finde ich sie mit „LP“ noch am besten entzerrt. Erst für spätere Pressungen dieser Aufnahmen (z.B. dann mit „Six-Eye Label“) wurden Tonbänder verwendet, die Platten klingen deutlich anders.
Die LP-Verzerrung entspricht der NAB-Studioverzerrung plus der zusätzlichen Bassanhebung bei 100Hz. Ich habe öfter gelesen, es gäbe auch NAB-verzerrte LP der Columbia, bisher ist mir aber noch keine in die Finger gekommen.
Canadische Columbia-Pressungen haben das blaue Labeldesign auch nach der Einführung der RIAA-Norm beibehalten, selbst frühe Stereopressungen haben ein blaues „Six-Eye“-Label.

klml4031. klml4031lab1
Eine der ersten LP, noch mit großer Zwillingsnote unten links auf dem Label

klwl5061laa. klml4398lab
Links Westminster, rechts Columbia Label aus der 1. Hälfte der 50er Jahre

NAB 500Hz / 590Hz

Früherer Standard (National Association of Audio Broadcasters) aus der Studiotechnik, einzelne so verzerrte LP verschiedenster Label gibt es. In der Regel steht es auf der Rückseite der LP im Kleingedruckten, wenn diese Verzerrung verwendet wurde. Bei richtiger Entzerrung stellt sich ein brauchbares Klangbild ein.

LyNABLabel. WMNABLabel
Nicht alle Westminster-LP mit diesem Label sind NAB-Verzerrt! Auch "LP" verzerrte Exemplare kommen vor.

Philips „Minigroove“ 400Hz / 5000Hz

Die frühen Monoplatten des Philipskonzerns hießen „Minigroove“ wie die Röhren „Miniwatt“ hießen. Es gibt niederländische, deutsche und auch britische Pressungen. Deutsche Pressungen können auch CCIR verzerrt sein. Die Klassikplatten haben ein weinrotes Etikett, Unterhaltungsmusik ein schwarzes. Aufnahmen der amerik. Columbia (Ellington, Strawinsky, Bruno Walter etc...) sind in Europa bis zur EInführung der Marke „CBS“ ca. 1962 auf Philips erschienen. Die Minigroove-Verzerrung wurde in die zweite Hälfte der 50er Jahre hinein benutzt. Spätere Platten mit „Minigroove“ Schriftzug sind RIAA verzerrt.
Die Minigroove verzerrten Platten klingen mit RIAA wiedergegen nach Telefonübertragung, mit der obrigen Entzerrung vollzieht sich ein deutlicher Sprung Richtung HIFI, die Qualität einer RIAA-LP wird aber nicht erreicht. Tiefe Töne werden hörbarer, Lästigkeit im Präsenzbereich tritt deutlich zurück.

kla00312lab

„Decca-London“ 100Hz / 500Hz / 2800Hz

Die britische Decca hat auch Platten mit abweichender Verzerrung produziert. Die in Deutschland verkauften Mono-LP können durchaus von einem britischen Pressstempel stammen und so wie hier beschrieben klingen. Wenn es sich um rein deutsche Exemplare der TelDec handelt ist hingegen die CCIR- oder die TelDec „European“ Entzerrung möglich (siehe dort). Es gab hier deutsche Deccas in englischen Aussenhüllen und englische Deccas in deutschen Außenhüllen, vielleicht aber in Deutschland gepreßt mit deutschem TelDec-Etikett. Die britische Decca verkaufte in den USA unter der Marke „London“ ihre Schallplatten, die amerikanische Decca hat in den 50er/60er Jahren hingegen mit der deutschen Grammophon kooperiert.
Mit RIAA und Stereotonabnehmer wiedergegeben klingen die Platten sehr brilliant, dieses wird durch den Einsatz des Filters gedämpft, verschwindet aber erst bei Verwendung eines Monotonabnehmers.
Ältere Titel wurden nach Umstellung auf RIAA oft mit leicht geändertem Cover neu herausgegeben. Ein „R“ nach dem ARL-Code in der Auslaufrille weist dann auf RIAA-Verzerrung hin. Bei einigen London Exemplaren ist „RIAA“ dann auch auf dem Cover (Rückseite) vermerkt und/oder die Bestellnummer verändert.

kllx3045lab1. kllw5225lab1
klllp303lab1


„AES (Audio Engineering Society)“ 400Hz/2500Hz

Betrifft die frühen Mercury bis 1954 sowie andere frühe Amerikanische Mono z.B. von Capitol oder der amerikanischen Decca.
Bei den frühen Mercury fällt bei RIAA-Wiedergabe der hierdurch zusätzlich angehobene Tiefbass besonders auf, was diese Platten subjektiv vielleicht besonders interessant machen kann. Bei den anderen Label fällt das weniger auf.
Mit RIAA Wiedergegeben kommt es bei allen Label zu einer Präsenzbetonung, die durchaus leicht lästig wirken kann.
Mit der passenden Entzerrung normalisiert sich die Tonalität, d.h. eine frühe Mercury Mono LP klingt ähnlich einer späteren RIAA verzerrten, jedoch fehlt es dann Dynamik.

kll8043. kll8043lab1
Frühe US-Capitol Mono
MAESLabel
Bei den Mercury Monos steht die Verzerrung im Kleingedruckten hinten auf dem Cover. Nur die frühen Exemplare sind AES verzerrt.


Zusammenfassung



Wer Monoschallplatten wiedergeben möchte kann das bereits mit dem vorhandenen stereophonen Equipment tun, bei Verwendung eines Monotonabnehmer und/oder variabler Entzerrung ergeben sich deutliche Verbesserungen. Das fachgerechte Waschen der Schallplatten ist ebenfalls empfehlenswert.

Insgesamt sind die Verbesserungen welche sich aus der Verwendung eines Monotonabnehmers ergeben gewichtiger, als Verbesserungen durch anpassbare Entzerrung. Letztere hat nur für frühe Monoschallplatten bis ca. Mitte der 50er Jahre einen Effekt welcher von der individuellen Entzerrung abhängt und bei bestimmten Plattenfirmen ausgeprägter ist. Von einem Monotonabnehmer profitieren hingegen alle Monoplatten.



Links, Disclaimer, etc...:



Geschichte der Stereoschallplatte von Ralf Badenhausen (mit Mono)
How to EQ old records (amerik.) von Larry Robinson
Record equilization demystified (engl.) von Gary A. Galo

Die Fotos der Schallplattenlabel dienen ausschliesslich der Illustration, die darauf dargestellten Markennamen mache ich mir nicht zu eigen. Die Fotos wurden wurden von mir selbst erstellt.

Siehe auch Phono-Vorverstärker - Platten waschen - Zurück zu den Audioseiten