Vorverstärker V36



Über den Bau eines kleinen unsymmetrischer Vorverstärkers mit integriertem Netz- und Phonoteil

Die hier beschriebene Schaltung arbeitet mit Hochspannung und ist somit potentiell lebensgefährlich. Für gesundheitliche, technische oder ideelle Schäden die aus dem Nachbau entstehen lehne ich jede Haftung ab, jeder Nachbau geschieht auf eigene Verantwortung. Ebenfalls übernehme ich keine Gewährleistung für die ordnungsgemäße Funktion der Schaltung. Diese Seite richtet sich an Audioamateure, den kommerziellen Nachbau dieser Schaltung (oder Teile daraus) gestatte ich nicht.


Vorgeschichte



Meine restaurierte Revox-Tonbandmaschine aus der Serie 36 hat hier die Zusammenarbeit mit meiner symmetrischen Anlage verweigert. Ein Symmetrierübertrager stellt eine zu große Last am Ausgang dar bzw. er beeinflusst die Entzerrung ungünstig.

Also muß eine aktive Verstärkerstufe her welche die Aufgabe erledigt. Diese muß natürlich auch wiederum einen praxisgerechten Ausgangswiderstand haben um symmetrische Endstufen antreiben zu können. Natürlich möchte ich auch die Lautstärke regeln können. Anspruchsniveau oberhalb von Alltagshifi, also High-End, aber nicht Ultra High End.

Da ich der Schallplatte als Hauptmedium meines Musikgenusses verbunden bin wollte ich auch ein unsymmetrisches Phonoteil bauen und das Ganze mit Netzteil brummfrei in ein Gehäuse verpacken.

Ursprünglich wollte ich das Phonoteil aus dem Wiedergabeverstärker der Revox 36 Tonbandmaschine heraus zu entwickeln und die Entzerrung auf RIAA umstricken. Daher der Name V36. Allerdings war die Schaltung (mit EF86 Eingang) mit aktiver Entzerrung bei tiefen Frequenzen nicht so phasenstabil wie ich mir das vorgestellt hatte. Eine sogenannte PasAk-Variante kommt jetzt mit einer Röhre weniger aus und spart auch noch weiteren Aufwand.

Schaltung des Hochpegelteils



Mit meinem letzten Projekt auf die "Poströhre" gekommen, wollte ich eine solche für den Hochpegelteil einsetzen. Die hochgezüchteten steilen Pentoden a la D3a verstärken für solch ein Teil aber einfach zu viel bzw. erzeugen durch ihre hohe Verstärkung unnötige Probleme. Daher habe ich mich für E80L entschieden.

Zum Spottpreis erhältlich, extrem hochwertig und genau in solch ein Projekt passend. Sie ist mikrophoniearm, läuft 10000 Stunden und brummt auch bei Wechselspannungsheizung nicht.

Die Anforderungen an den Hochpegelteil sind
- praxisgerechte Gesamtverstärkung (die liegt normalerweise im Bereich von Faktor 0 bis 4 bzw. 12dB) und somit ein normales Drehgefühl am Lautstärkeregler
- praxisgerechter Ausgangswiderstand (in diesem Fall 100 Ohm)
- 100k Lautstärkeregler um hochohmige Röhrengeräte wie die Revox G-36 nicht zu belasten
- Verwendung eines Ausgangsübertragers, welcher die Konfiguration des Ausganges als Symmetrisch (oder Unsymmetrisch) und ggf. erdfrei zulässt.

So wie andere Bastler ein besonderes Händchen für Trioden haben, so nehme ich gerne Pentoden, welche ich auch als Pentoden verschalte. Damit sieht der 100k Lautstärkeregler eine kleinere Kapazität und die Röhre wird so genutzt wie sie gedacht ist. Ein paar Dinge muß man beachten:

Pentoden sind fast reine Stromquellen mit erheblich hohen Innenwiderständen, in diesem Fall hat die E80L ca. 50kOhm. Damit kann ein Übertrager nicht betrieben werden. Wenn die Röhre als Triode verschaltet wird entspricht das der Applikation von Gegenkopplung, der Innenwiderstand sinkt so weit, das der Übertrager getrieben werden kann. Bei Endstufen mit Pentoden wird der Effekt normalerweise mit einer ÜberlAlles-Gegenkopplung erreicht. Für einen Vorverstärker bietet es sich an, auf die Sekundärseite des Übertragers einen passenden Abschlusswiderstand zu löten.

V36_AÜ

Für die E80L bietet sich ein Lundahl LL1689 in der SE Version für 18mA Ruhestrom an. Konfiguriert als 18:2 (Alternative Q im Datenblatt) übersetzen sich Widerstände mit dem Faktor 81, d.h. mit 100 Widerstand Sekundär sieht die Röhre eine Last von 8100 Ohm was grob dem empfohlenem Arbeitspunkt entspricht. Da sich genug Verstärkung ergibt kann auf die Überbrückung der Kathode mit einem Elko verzichtet werden. Durch den 100 Ohm Widerstand auf der Sekundärseite des Übertragers ist dann auch der Ausgangswiderstand des Vorverstärkers 100 Ohm.

Der Frequenzgang linearisiert sich auf ca. 20Hz bis 40KHz (-1dB), und die 100 Ohm Ausgangswiderstand erlauben das Antreiben von hochohmigen Kopfhörern. Im Ergebnis benimmt sich die Schaltung ähnlich wie im Triodenmodus. Das Verhalten der Schaltung, v.a. Klirr im Bass bei Sättigung bestimmt im wesentlichen der Ausgangsübertrager. Single-Ended Betrieb (unsymmetrisch) ist ein Kompromiss, was auch klar aus dem Datenblatt des Übertragers hervorgeht und generell zutrifft.

Jetzt kann der Ausgang des Vorverstärkers wahlweise unsymmetrisch oder symmetrisch konfiguriert werden. Bei symmetrischen Betrieb wird die Mitte zwischen den Sekundärwicklungen wahlweise auf Masse gelegt oder nicht. Da jeweils zwei Sekundärwicklungen parallel liegen erhält jede Hälfte einen 47 Ohm Widerstand parallel:

Vorstufe_V36

Die Röhre dreht die Phase, das soll der Vorverstärker als Ganzes aber nicht machen, daher muß am Ausgang des Gerätes die Phase verdreht angeschlossen werden. Bei einem unsymmetrischen Ausgang (Cinch) wird nicht die Mitte der Sekundärseite auf Masse gelegt, sondern die im Lundahl-Datenblatt mit einem * markierte Stelle. Zu jeder einzelnen Sekundärwicklung sollten bei unsymmetrischem Ausgang dann 100 Ohm parallelgeschaltet werden um am Ausgang 100 Ohm insgesamt zu erreichen. Bei symmetrischem Ausgang sind jeweils zwei Sekundärwicklungen parallel so das sich wiederum 100 Ohm insgesamt ergeben.

Abschliessend noch eine Bemerkung zum Schirmgitter der Pentode. Wenn dessen Spannung in der Nähe der Anodenspannung liegt agiert es auch als Hilfanode einschl. Überlastungsrisiko. Idealerweise nimmt man die Spannung etwas zurück in den Bereich der halben Anodenspannung, dann agiert das Schirmgitter auch als solches. Dafür nutze ich einen Spannungsteiler welcher mit einem MKP Kondensator stabilisiert wird. Der Kondensator muß für <20Hz untere Grenzfrequenz dimensioniert sein.

V36_Prampl_Board


Schaltung des Phonoteils




Das Phonoteil basiert auf der Kleinsignalpentode EF86 von der ich viele hochwertige Derivate besitze wie z.B. E80F oder EF806s. Die Röhre ist sowohl neu als auch auf dem Gebrauchtmarkt oder NOS zu brauchbaren Preisen verfügbar. Die meisten Derivate haben bifilar gewickelte Heizwendel, so das theoretisch hier sogar eine Wechselspannungsheizung brummfrei möglich ist. Ich selbst heiße die beiden Röhren allerdings mit Gleichspannung.

Wie bereits im vorangegangenen Teil erwähnt ist der Innenwiderstand der Pentode wiederum sehr groß, hier 2,5 Megaohm. Wichtig ist, das der Innenwiderstand hier erheblich höher ist als der Anodenwiderstand und somit den Ausgangswiderstand der Eingangsstufe kaum beeinflusst. Während man bei RIAA Stufen mit Trioden die Altersvariation des Innenwiderstandes mit einem zusätzlichen Widerstand in der Größenordnung des Anodenwiderstandes linearisieren muß kann bei Pentoden auf diesen verzichtet werden. Damit bleibt der volle Verstärkungsfaktor der EF86 erhalten. Der RIAA Filter wird also auf den Anodenwiderstand berechnet und variiert bei 20Hz mit der Röhrenalterung um max. 0,5dB.

Einer der wichtigsten Qualitätsfaktoren einer passiven RIAA Stufe ist die Höhe des Nutzsignal über dem Rauschen nach der ersten Verstärkerstufe. Wenn die erste Stufe nicht genug verstärkt landet das Signal nach dem RIAA Filter bei hohen Frequenzen zu nahe am Rauschen, so das dort viel Qualität verloren geht. Die EF86 mit einem Verstärkungsfaktor von knapp 200 hebt das Signal somit optimal über den Rauschteppich. Abgesehen davon ist wiederum die Eingangskapazität einer Pentode kleiner so das ein MC Übertrager nicht unnötig belastet wird bzw. hohe Frequenzen in aller Feinheit erhalten bleiben.

In der zweite Stufe des Phonoteils muß jetzt genügend Verstärkung aufgeholt werden um die nachfolgende Stufe, den Vorverstärker mit der E80L, gut auszusteuern. Der Ausgangswiderstand muß gering genug sein um die angeschlossene Last zu treiben. Ein MM Phonoteil verstärkt um die 40dB bei 1KHz und ich habe einen 100k Lautstärkeregler als Last.

Die Aufgabe erfüllt eine schnöde ECC81. Den 100k Lautstärkeregler kann sie treiben und wenn ich bei beiden Stufen des Phonoteils auf den Elko an der Kathode verzichte hat es 44dB Verstärkung einschl. der RIAA Korrektur. Die ECC81 ist eine gebräuchliche Röhre von der er vergleichsweise viele hochwertige NOS Derivate zu guten Preisen gibt (im Gegensatz zur ECC82 oder 83). Für einen Tape-Out Ausgang oder den Ausgang eines Phonoverstärker reicht es mit der ECC81 nicht, sie ist lediglich ausreichend um den 100k Lautstärkeregler zu treiben. Für einen niederohmigen Hochpegelausgang wäre praktisch immer eine weitere Röhre als Impedanzwandler erforderlich.

Einen Lundahl LL1681 MC-Übertrager habe ich fest eingebaut und die Umschaltung 1:26 und 1:13 mittels Schalter nach außen bedienbar gemacht. Der Übertrager ist universell ausgelegt und erlaubt den Betrieb aller gängigen Tonabnehmerssysteme. Hochohmige auf 1:13, niererohmige (Ortofon) auf 1:26. Ich kann mit diesem Verstärker also mein SPU wieder auspacken.

MC_Uebertrager_V36

Phono_MM_V36

V36_Phono_1

V36_Phono_2


Schaltung des Netzteils




Die Kleinanzeigen haben mir in der Frage des Netztransformators die Entscheidung abgenommen, der Lundahl LL2758 kam gebraucht zu mir. Absolut brummfrei und ohne Einstreuungen in andere Verstärkerteile erledigt er seine Arbeit.

Grundsätzlich ziehe ich eine konservative Ausführung des Netzteils mit Gleichrichterröhre, in diesem Fall EZ81, vor. Das langsame Hochfahren des Gerätes, ohne Spannungsspitzen durch das verzögerte Warmwerden der Röhren, müsste ich sonst extra schaltungstechnisch mit viel Aufwand realisieren.

Eines der Hauptfeatures von Röhrengeräten ist die Möglichkeit die Betriebsspannung mittels Drosseln zu sieben. Optimal wäre ein Netzteil mit Drosseleingang, dafür benötigt man aber gleich zwei Drosseln, so das es meinen größeren Projekten vorbehalten bleibt. Je mehr Drosseleingang um so gleichmässiger die Stromentnahme aus dem Netz, umso störungsfreier die Spannung. Bei diesem Vorverstärker mit CLC-Siebung bleibt der erste Siebkondensator so klein wie möglich und der zweite so groß wie nötig.

Netzteil_V36

Die Drossel ermöglicht es auch hier auf Elkos zu verzichten und stattdessen Folienkondensatoren "DC-Link" zu nehmen. Insbesondere die Drosseln von Lundahl ermöglichen den "Common Mode", d.h. die Spule liegt mit je einer Hälfte im Plus und im Massepfad der Betriebsspannung mit nochmals besserer Glättungswirkung. Der zentrale Massepunkt liegt beim Kondensator nach der "common mode"-Drossel. Die Mittenanzapfung der Sekundärwicklung des Netztrafos ist also durch eine Hälfte der Drosselwicklung mit Masse verbunden. Der Widerstand R1 dient hier der Spannungsanpassung und der Schonung der Gleichrichterröhre..

Beide Kanäle des Vorverstärkers werden von einem gemeinsamen Kondensator versorgt, dann geht es kanalgetrennt mittels RC-Siebung zu den Spannungen des Phonoteils. Die verwendeten Kondensatoren sollten >10uF sein, ich habe günstig 30uF bekommen und genommen.

Nur die Heizspannung für die EF86 habe ich gleichgerichtet und mit 10.000uF gesiebt. Im Endergebnis erhalte ich knapp 6,5V, also weniger als 5% Abweichung von 6,3V. Die ECC81 und E80L bekommen Wechselspannung. Beide Heizspannungen werden mit zwei 100 Ohm Widerständen symmetriert und mittels Spannungsteiler auf 35Volt hochgelegt.


Mechanischer Aufbau



Ich habe den Verstärker in ein Schroff CompacPro Gehäuse mit 2HE Höhe und 331cm Tiefe eingebaut. Das Gehäuse erlaubt das Anschrauben von Ebenen mittels Distanzstücken von den Seitenwänden. Die nutzbare Höhe von ca. 8cm erfordert den liegenden Einbau der Röhren. Mittels 7cm M4 Distanzbolzen/Abstandsstücken habe ich 3 Gehäusebenen erstellt.

Die rechte Ebene trägt das Netzteil mit Netztrafo, Drossel und Gleichrichterröhre. Gegenüber montiert ist aus Gründen der Mikrofonie eine Ebene aus POM welche die Röhren und die eigentliche Audioschaltung trägt. Diese sitzt auf einer weiteren Ebene, auf der Ein- und Ausgangsübertrager montiert sind. Aufgrund dieser Anordnung bildet sich etwas rechts von der Mitte im Verstärker eine Art Kanal in welchen die Röhren ragen und welcher per Sichtfenster von außen einsehbar gemacht werden kann. Gleichzeitig findet hier die relevante Abfuhr von Wärme statt.

V36_Innerei

Netzschalter, Eingangswahlschalter und Lautstärkeregler befinden sich jeweils in den Zwischenräumen der Ebenen. Der Eingangswahlschalter ist eine Seiden SD-32, 1-2-6-30° Schalter, das Lautstärkepoti ein TKD 2CP-2511 mit 100k. Die Audio-Signal-Innenverkabelung ist mit Mogami 2944 ausgeführt, welches genau für solche Zwecke gedacht ist. 10 Meter davon sind schnell verbraucht. Hinten befinden sich Anschlussbuchsen von Neutrik.

Für die Innenverkabelung der Röhrenheizung nehme ich verdrillte Radox-Litze, welche silikonisoliert ist. Die Hochspannung und Masse im Audioteil sind mit Resten aus der Kiste gemacht worden.

Die Röhrenfassungen sind Belton VT9-ST-1, den Hinweis auf diese Fassung verdanke ich Alex K. Für die drei langen Röhren verwende ich Retainer. Den hätte ich mir spaaren können, so fest wie die Röhren in diesen Fassungen sitzen. Die Lötleisten sind alte gebrauchte Ausbauleisten, neu gibt es sowas leider nicht. Solche Leisten erfordern die Verwendung eines silberhaltigen Lotes.

Amplifier_Board_V36

Erst wollte ich ausschliesslich WIMA Kondensatoren verwenden, aber für Freiverdrahtung ist es einfach schwierig, so das ich auch axiale Mundorf MCaps "Classic" verwende. Die RIAA Entzerrung habe ich mit NOS Roederstein 2% KP Kondensatoren gebaut, die passten gerade, und auch bei den Widerständen habe ich auf Resteverwertung gesetzt, ein paar für die RIAA mußte ich zukaufen.

Sämtliche Zuleitungen zu der Audioebene sind ablötbar, meist an den Lötleisten oder am Ausgangsübertrager, so das der Teil einzeln ausgebaut werden kann. Die AC Röhrenheizung wird versteckt hinter der Frontplatte zu den Röhren geführt, die DC-Heizung des Einganges hinten mit der Hochspannung.

Das Gehäuse habe ich mit Klebebitumen mikrophonisch bedämpft. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, das die Montage der Röhren auf einer Aluplatte mikrophonisch nicht optimal ist, so das ich Pertinax oder wie hier POM vorziehe.


Zurück zu den Audioseiten